Emotionen, Erwartungen und das soziale Umfeld: Wie sie zum Auslöser körperlicher Beschwerden werden!
Kämpft man mit körperlichen Beschwerden, geraten Dinge, die Spaß bereiten, zunehmend in den Hintergrund. Stattdessen beginnen Emotionen wie Wut und Angst, den Körper zu beherrschen. Es kann sogar soweit kommen, dass alleine durch Gedanken an eine schmerzhafte Bewegung Beschwerden entstehen. Unser Gehirn wird mit zunehmender Dauer sensibler und schaltet häufig, ohne ersichtlichen Grund, Schmerzen in unsere Wahrnehmung.1 Doch welcher Zusammenhang besteht eigentlich zwischen unserer Psyche, unserem sozialen Verhalten und Schmerzen?
Woher kommt der Schmerz?
Der Irrglaube, Schmerzen seien immer mit einem strukturellen Schaden verbunden, hält sich hartnäckig und zieht sich wie ein Rattenschwanz durch die Behandlungsmethoden. In einer Studie von Brinjikj et al. 2015 zeigte sich, dass 36 % der Menschen im Alter von 50 Jahren bereits einen Bandscheibenvorfall hatten, ohne körperliche Symptome zu zeigen. Auch das Gegenteil ist der Fall: Patienten mit Beschwerden, bei denen die körperliche Veränderung nicht in Relation mit der Intensität der Beschwerden steht. Schmerzen sind daher nicht nur auf physische Hintergründe zurückzuführen. Sie sind eine Interpretation des Gehirns, sollten immer ernst genommen werden und sind real.2 Für diese Interpretation benötigt das Gehirn Informationen. Das geschieht entweder von außen, durch Exterozeption oder von innen durch Interozeption. Die Informationen werden in verschiedenen Zentren des Gehirns wie dem Thalamus (Tor zum Bewusstsein) oder der Amygdala (Angstkonditionierung) gefiltert.
Je relevanter die Informationen für das Individuum sind, desto stärker werden sie mit Neuronen im Gehirn verknüpft (Neurotags). Visuelle Neurotags sind präsenter als somatosensorische. Erklärungsmodelle auf rein struktureller Ebene, wie Bandscheibenvorfälle, die auf den Nerv drücken, aber auch Bilder von scheinbar falschen Bewegungen, können solche Neurotags im Gehirn verstärken und somit auch Erwartungen und Emotionen wie Angst prägen.3 Letztendlich entscheidet das Gehirn, ob der Schmerz in unsere Wahrnehmung tritt. Das passiert unabhängig davon, ob ein Gewebeschaden besteht oder nicht. Denn Schmerzen sind erst mal nur Gefahrenmelder. Je länger sie bestehen, desto besser wird das Gehirn in der Produktion von Schmerz (neuronale Plastizität).4
Was passiert im Gehirn bei Stress?
Emotionen bewirken die Ausschüttung von Hormonen in verschiedene Bereiche des Gehirns. Eines dieser Hormone ist Dopamin, unser körpereigenes Belohnungssystem. Anhaltende Schmerzen oder Stress können das Dopaminsystem jedoch erschöpfen und unter Umständen zu Depressionen und negativen Emotionen führen.1 Zudem aktivieren Schmerzen die Amygdala sowie den präfrontalen Kortex und verstärken auf längere Sicht die Emotionen. Das hat beispielsweise zur Folge, dass ohnehin ängstliche Menschen aufgrund dessen noch ängstlicher werden. Anhaltende Schmerzen und Stress führen nachweislich zu einer Vergrößerung dieser verarbeitenden Zentren im Gehirn.5 So kann es sein, dass Menschen stressassoziierte, funktionelle Störungen entwickeln und sich der Stress nur noch auf physischer Ebene äußert!
In der Literatur zeigt sich z. B. ein enger Zusammenhang zwischen dem Stressfaktor Arbeitsplatzunzufriedenheit und Rückenschmerz“.6 Aber auch negative Gedanken oder ein nerviger Arbeitskollege können die Aktivität des Sympathikus in unserem vegetativen Nervensystem erhöhen, indem sie die Amygdala aktivieren. Diese regt daraufhin gewisse Neuronen im Hirnstamm an, die Nebennieren zu aktivieren. Sie bewirken eine Ausschüttung der Hormone Adrenalin und Cortisol.
Was passiert bei chronischem Stress?
Chronischer Stress kann u. a. zur Schwächung des Immunsystems, schlechteren Heilungsprozessen bis hin zu Depressionen und einer Reduktion der körperlichen sowie geistigen Leistungsfähigkeit führen.7 Bei anhaltenden Beschwerden kann sich ein Teufelskreis entwickeln. Die Adrenozeptoren können sich vermehren und Schmerzen in stressigen Situationen erhöhen.2 Eine zentrale Rolle dabei spielt das Hinterwurzelganglion, eine Ansammlung von Nervenzellen im Bereich des Rückenmarks. Bereits vor dem Eintritt der Nervenimpulse in unser Gehirn werden dort Informationen moduliert. Auf Botenstoffe wie das Adrenalin wird besonders empfindlich reagiert.8 Aber auch andere Stoffe wie die Substanz P (Neuropeptid) und der TLR4-Rezeptor spielen eine entscheidende Rolle bei der Schmerzwahrnehmung. Zusammen sind die beiden für die physiologische Schmerzverarbeitung notwendig. Mit zunehmender Dauer der Schmerzen werden sie sensibler und neigen u. a. aufgrund von Neurotags zu einer schnelleren Überreaktion.
Oft verstehen wir nicht wieso Schmerzen nach längerer Zeit noch bestehen, obwohl die Gewebeheilung schon abgeschlossen ist und wir uns keinen extremen Belastungen ausgesetzt haben. Mit unsererm rationalen Gedächtnis können wir das emotionale Gedächtnis nicht verstehen. Mitunter auch, weil unser Gehirn voraussagend codiert. Es hat das Ziel den Zustand stabil zu halten. Dadurch vermeidet es unangenehme Überraschungen, die mit einem Mehraufwand an Energie und Verknüpfungen von Neuronen einhergehen würde. So lässt sich auch der innere Schweinehund erklären, der uns aus gewohnten Situationen nur unter Mühe befreien lässt.10
Der Einfluss von Placebo und Nocebo:
Auch Placebo- und Noceboeffekte können auf zentralnervöse Regulationen im Sinne der kognitiven Modulation zurückgeführt werden. Sie bewirken eine Ausschüttung von Neurotransmittern und die Entstehung von Neurotags. Die Verarbeitung von nozizeptiven Reizen hängt nämlich stark von den Erwartungen des Individuums ab.11 Aktuell geht man davon aus, dass Schmerzen im Sinne der klassischen Konditionierung erlernbar sind. Die negative Erwartungshaltung des Patienten bei einer bestimmten Bewegung, die er in der Vergangenheit als schmerzhaft empfunden hat (z. B. eine akute Lumboischialgie beim Bücken), könnte erklären, wieso weiterhin Schmerzen bestehen bleiben, obwohl kein Schaden mehr vorhanden ist. Dies führt im weiteren Verlauf zu einer Kinesiophobie, die wiederum das Zentrum der Angst, die Amygdala, aktiviert und die Ausschüttung von Stresshormonen veranlasst.12
Diese negativen Einflüsse auf den Menschen im Sinne eines Nocebos findet man auch häufig in der Kommunikation. Bereits die Wortwahl kann entscheidend sein, welche Erwartung ein Mensch von einer gewissen Intervention hat. So treten negative Effekte bei Medikamenten häufiger auf, wenn sich Patienten über die Nebenwirkungen informieren und negative Wörter lesen.13 Worte wie Verschleiß oder chronische Schmerzen können eine erhöhte Stressreaktion auslösen. Auch bestimmte Überzeugungen können Schmerzen verstärken. „Wenn dein Gelenk schmerzt, dann solltest du es nicht belasten!“ ist eine Aussage, die zu Unrecht das Verhalten des Patienten negativ beeinflussen kann, denn Schmerzen stehen nicht immer in Relation mit einem tatsächlichen Schaden. Das Schmerzempfinden hängt tatsächlich viel mehr davon ab, wie gefährlich wir die aktuelle Situation einschätzen, als davon, wie gefährlich sie wirklich ist.14
Placeboeffekte lassen sich auf neuronalem Weg erklären. Zum einen durch Opioidbahnen im Bereich der Amygdala und dem anterioren aingulären Cortex (Schmerzverarbeitung unter Einbeziehung emotionaler Bewertungen) im Bereich der Großhirnrinde, zum anderen durch das Dopaminsystem, welches in den ventralen Basalganglien aktiviert wird. Haben wir eine positive Erwartung an eine Behandlung, wird im Gehirn Dopamin freigesetzt. Wenn die Behandlung besser als erwartet ausfällt, wird sogar noch mehr Dopamin produziert als bei einer negativen Erwartung.1 Dieses Belohnungssystem macht sich auch die Pharmaindustrie zunutze, indem sie im Marketing auf Priming-Effekte setzt. Ein Beispiel aus einem Studienexperiment zeigt: Je mehr ein Placebo kostet, desto effektiver wird die Wirksamkeit laut Aussagen der Versuchsteilnehmer eingeschätzt.15 Die Erwartungshaltung wird demnach die Preissetzung positiv beeinflussen.
Der Einfluss von Emotionen und Bias:
Insbesondere dann, wenn Emotionen im Spiel sind, neigt der Mensch zu Denkfehlern, sog. Bias. Eine stark von unseren Gefühlen abhängige Bias ist die Affektheuristik, eine Denkabkürzung, der wir gerne zum Opfer fallen, wenn es um Themen wie Schmerzen geht. Ob wir eine Behandlung als gut oder schlecht empfinden und was unsere Beschwerden lindert oder verstärkt, wird maßgeblich durch das Unterbewusstsein bestimmt. So können psychosoziale Einflüsse auf körperliche Beschwerden beim Betroffenen erst mal zu einem Widerstand führen, wenn diese der Ansicht ist, dass körperliche Beschwerden immer mit Schaden zu tun haben. Dieses Thema erregt eine momentane Gefühlslage, die das Gehirn dazu veranlasst, weniger mit dem rationalen und mehr mit dem emotionalen Gedächtnis zu denken. Dabei nimmt das Gehirn Abkürzungen und überprüft Informationen nicht gründlich. In der Regel bedient man sich dann einer zweiten Bias, um seinen Standpunkt zu vertreten, nämlich der emotionalen Beweisführung. Ohne Informationen weiter zu überprüfen, wenden wir diese an, nur weil sie sich richtig anfühlen.17 Auch Therapeuten fallen bei der Auswahl ihrer Therapieform gerne einem Denkfehler zum Opfer: der Verfügbarkeitsheuristik. Das, was als Letztes gelernt wurde und was sich in der Theorie plausibel anhört, wird häufiger bei Patienten angewendet. Und das, ohne den Patienten individuell zu berücksichtigen oder zu hinterfragen, ob diese Informationen dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Das Problem: Informationen, die wir erst kürzlich aufgenommen haben, sind leichter aus dem Gehirn abzurufen und kosten weniger Energie.16 Ein weiterer Grund, warum fragwürdige Behandlungsmethoden oft nicht hinterfragt werden, ist folgende, als kritisch zu bewertende Aussage: „Wer heilt, hat Recht!“
Was auch gerne übersehen wird, ist beispielsweise der Einfluss eines sympathisch wirkenden Therapeuten, der für positive Gefühle sorgt, aber auch die sogenannte Regression zur Mitte (Senn 2011, Hrobjartsson et al. 2010). Hierunter versteht man, dass nach einem Extrem wie es bei einer Schmerzsituation der Fall ist, in der Regel ein Mittelwert folgt, in dem der Schmerz wieder von selbst abnimmt. So vergehen nach ca. sechs Wochen die meisten unspezifischen LBP. Viele Akutpatienten genesen auch ohne Therapie.18
Aber auch eine positive Erwartungshaltung hat, wie bereits erklärt, einen Effekt auf den Schmerz – nicht zuletzt auch dank des Placeboeffekts.
Der Einfluss des sozialen Umfelds:
Doch wieso greifen wir nicht einfach auf natürliche Schmerzmittel zurück, die wir von unseren Mitmenschen erhalten. Liebe, Sex oder schon eine Umarmung erhöhen den Oxytocinspiegel. Oxytocin wirkt schmerzhemmend und ist eines der wichtigsten Hormone, das im sozialen Umgang mit Menschen ausgeschüttet wird. Es hemmt die zentrale Amygdala. Dadurch unterdrückt es Furcht und Angst und aktiviert den Parasympathikus. Oxytocin verändert außerdem die Wahrnehmung vom Negativen zum Positiven.19
Oftmals fehlt schlichtweg dieser soziale Rückhalt. In Deutschland berichten über 18 % der Erkrankten über Einsamkeit. Das sind mehr als doppelt so viele wie der Bundesdurchschnitt.22 Einige Schmerzpatienten haben Angst, Angehörigen und Freunden zur Last zu fallen. Ebenfalls spielt die Angst vor Schmerzen in einer bestimmten Situation eine Rolle. Durch eine negative Erwartungshaltung und einer Schmerz-Konditionierung in Verbindung mit bestimmten Aktivitäten werden diese von vorn herein vermieden. Auch Hobbys können dadurch in den Hintergrund rücken. Dabei wären sie so wichtig, da sie u. a. für die Freisetzung von Dopamin sorgen.20
Doch Vorsicht ist geboten: Wer Angehörige und Freunden zu stark einbindet, kann im weiteren Verlauf sogar an einer verstärkten Schmerzwahrnehmung leiden. Denn selbst wenn der Kontakt die Schmerzen zunächst lindert, wenn gewisse Aufgaben übernommen werden, leidet mit zunehmender Dauer das Selbstwertgefühl des Betroffenen. Daraus kann sozialer Rückzug mit einer Schmerzzunahme resultieren.6 Breitenstein et al. führten dazu 1994 den Eiswasser-Test durch, bei dem die Schmerztoleranz der Probanden signifikant abnahm, sobald ein Partner anwesend war, der den Betroffenen Mitgefühl und Empathie gab. Sie konnten daher den Schmerz des kalten Wassers weniger lang ertragen als bei der Anwesenheit eines neutralen Partners oder gar keiner Person! Das liegt daran, dass bei „zu viel“ Empathie die Schmerztoleranz abnimmt. Man wird wehleidiger. Das lässt sich auch bei kleinen Kindern beobachten: Stürzen sie und wird ihnen daraufhin zu viel Aufmerksamkeit geschenkt, werden sie eher weinen, als wenn man sie wenig beachtet. Dies zeigt, wie wichtig es ist, das engere soziale Umfeld von Schmerzpatienten zu involvieren und ein angemessenes Verständnis für den richtigen Umgang von Be- und Entlastung zu schaffen. Schließlich gehen auch (Ehe-)Partner in der Regel von der Wirksamkeit einer Behandlung auf rein struktureller Ebene aus. Mit der Folge, dass diese häufig verärgert sind, wenn eine Behandlung nicht anschlägt oder gar nicht erst stattfindet, weil ein Therapeut psychosoziale Ansätze pflegt.6 Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein, nämlich der sogenannte Krankheitsgewinn. Menschen mit Krankheiten ziehen einen Vorteil aus ihrer aktuellen Situation, weil sie beispielsweise mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung erhalten als sonst. Dieser Gewinn kann dann vom Patienten bewusst oder unbewusst aufrecht erhalten werden.2
Dass Menschen tatsächlich mehr Aufmerksamkeit und Mitgefühl erhalten, wenn sie leiden müssen, lässt sich wiederum in Bereichen unseres Gehirns messen, die wir als Spiegelneurone kennen. Wenn sich andere Menschen verletzten und wir ähnlichen Schmerz empfinden, ohne selbst verletzt zu werden, werden die gleichen Bereiche im Gehirn aktiviert, als wenn wir uns selbst stoßen würden. Unsere Hand verkrampft dabei sichtbar, man spricht von einer isomorph sensomotorischen Reaktion.1
Fazit:
Mit dem Wissen über den Einfluss psychosozialer Faktoren auf körperliche Beschwerden sollte die aktuelle Situation im Umgang mit Patienten, – bei der mehr der wirtschaftliche und weniger der wissenschaftliche Faktor im Vordergrund steht, – kritisch hinterfragt werden. Es sollte definitiv der Mensch und seine ganze Geschichte im Vordergrund stehen! Was sind seine Ziele? Welche Erfahrungen hat er bereits in der Therapie gemacht? Was sind seine Erwartungen? Was denkt der Patient selbst über seine Beschwerden? Was hat neben seinem Körper noch alles Einfluss auf seine Beschwerden? Wichtiger ist es, durch einen passenden Kommunikationsstil und die richtige Fragestellung die Motivation und die Selbstwirksamkeit des Patienten zu stärken. Auch die Aufklärung von sozialen Einflüssen wie (Ehe-)Partner oder das Arbeitsplatzverhältnis sind – neben der persönlichen Erwartungshaltung und dem Einfluss von Stress – ein wichtiger Bereich in der Behandlung von körperlichen Beschwerden. So könnte man auch den Placeboeffekt wesentlich effektiver und auf Dauer kostengünstiger einsetzen: Durch eine motivierende Gesprächsführung und die Stärkung der Selbstwirksamkeit würde sich die Erwartungshaltung ebenfalls positiv verändern. Dadurch würde sich die Abhängigkeit des Patienten von fragwürdigen Behandlungen verringern und seine Eigeninitiative könnte gestärkt werden. Auch die generelle Angst vor Schäden oder Belastung kann durch eine durchdachte Kommunikation und mit passender Untermauerung von Studien reduziert werden, sodass der Patient aktiv bleibt. Denn alleine Worte und die Betrachtung von Schmerzen auf rein struktureller Ebene können bereits schaden und den Patienten in eine passive Haltung und Angstsituation bringen.
Das Einbeziehen von Emotionen und die Differenzierung zum Schmerz sowie die Unterscheidung von erwünschten und unerwünschten Gefühlen (vor allem bei chronischen Schmerzpatienten) sollte ebenfalls integriert werden.6
Fakt ist: Eine langfristige Besserung sollte das oberste Ziel sein. Jedoch nicht im Sinne von „Wer heilt, hat recht!“. Denn dadurch blockiert man im schlimmsten Fall den Weg zu einer besseren Therapie und schadet dem Patienten und sogar dem Gesundheitssystem in Bezug auf Effizienz und Kostenminimierung (Bove et al. 2017, Beide et al. 2017). Und gerade viele evidenzlose Behandlungsmethoden, bei denen einzig das Ergebnis zählt, lassen sich meist nur auf einen kurzfristigen Effekt zurückführen: Durch Veränderung der Informationen von außen oder von innen reagiert unser zentrales und peripheres Nervensystem mit einer Neuromodulation. Informationen werden kurzzeitig verändert und den Umständen entsprechend angepasst! Solche Veränderungen passieren aber schon alleine durch eine einfache Berührung oder die Anwesenheit eines emphatischen Therapeuten. Und diesen Anpassungseffekt als einen anderen nicht nachweisbaren Behandlungseffekt zu verpacken, ist im Grunde eine Täuschung des Patienten. Es bleibt weiterhin spannend zu beobachten, wo uns der Placeboeffekt und seine Wirkung im Gehirn noch hinführen werden und wie wir ihn effektiv einsetzen können, ohne die aktuelle Wissenschaft zu ignorieren. Zumal Menschen im Gesundheitsbereich laut SGB V § 137 f. dazu verpflichtet sind, Interventionen nach aktuellen wissenschaftlichen Leitlinien zu gestalten. Ist ein Behandlungseffekt nicht bestätigt, sollte dieser nur mit Vorsicht und unter Bedacht angewendet werden.
Quellen:
Emotionen, Erwartungen und das soziale Umfeld:
Wie sie zum Auslöser körperlicher Beschwerden werden!
1 Sapolsky R.: Gewalt und Mitgefühl, 2. Auflage, München: Carl Hanser Verlag 2018.
2 Butler DS., Mosley GL.: Schmerzen verstehen, 3. Auflage, Heidelberg: Springer-Verlag 2016.
3 Barlow HB: Possible principles underlying the transformation of sensory messages sensory, in: sensory communication, MA: MIT Press (2012), S. 217-34.
4 Virginia D. E. Welter: Neuroplastizität und Schmerz, Heidelberg: Springer Verlag 2015.
5 L. Berkowitz: Pain and Aggression: some findings and implications, Motivation and Emotion (1993), 17: 277.
6 Martin von Wachter, Hendrischke A.: Psychoedukation bei chronischen Schmerzen, Heidelberg: Springer Verlag 2016.
7 Butler DS.: The Sensitive Nervous System, Adelaide, Australia: Noigroup Publications 2000.
8 Michaelis, M. Et al.: sympathetic modulation of activity in rat dorsal root ganglion neurons changes over time following peripheral nerve injury, in: J Neurophysiol 76 (1996), S. 753-63.
9 Bushnell MC, Villemure c, Strigo I, Duncan GH: Imaging Pain in the Brain, in: Journal of Musculoskeletal Pain 10 (2010), S. 59-72
10 Alt A., Malcherek N., Reis J., Geisler S.: Die Rechnung der Rückenschmerzen, Neue Erkenntnisse zur nachhaltigen Schmerztherapie, Poland: Amazon Fulfillment 2019.
11 Kellner JR, Furst A, Fan C, Redfern R, Inglis B, Fields HL: Isolating the modulatory effect of expectation on pain transmission: a functional magnetic resonance imaging study, in: The journal of neuroscience: the official journal of the society for neuroscience 26 (2006), S. 4437-43.
12 Alaiti RK, Zuccolo PF, Hunziker MHL, Caneiro JP, Vlaeyen JWS, Fernandes da Costa M.: Pain can be conditioned to voluntary movements through associative learning: an experimental study in healthy participants, 2020.
13 Häuser W. et al.: Nocebo phenomena in medicine: their relevance in everyday clinical practice, in: Deutsches Ärzteblatt Int., 109(26) (2012), S. 459-65.
14 Gallagher M. et al.: Mechanisms of change in cognitive behavioral therapy for panic disorder: the unique effects of self-efficacy and anxiety sensitivity, in: Behav Res Ther., 51(11) (2013), S: 767-77
15 Edwards K.: The interplay of affect and Kognition in Attitude Formation and change. in: Journal of Personality and Social Psychology, 59(2) (1990), S. 202–216.
16 Kahneman, D. (2011): Thinking, Fast and Slow, Farad, New York: Straus and Giroux 2011.
17 o.V.: Anchoring Bias with Critical Implications, in: AORN Journal 6 (2016), S. 658-31.
18 Chenot J. et al.: Non-Specific Low Back Pain, Clinical Practice Guidline, in: Deutsche Ärzteblatt Int. 114 (2017), S. 883-90.
19 D. Viviani et al.: Oxytocin Selectively Gates Fear Response Through Distinct Outputs From The Central Nucleus, in: Sci 333 (2011), S. 104.
20 Moseley, G.L. et al.: Thinking about movement hurts. The effect of motor imagery on pain and swelling in people with chronic arm pain, in: Arthritis Care & Research 59 (2008), S. 623-31.
21 Fishbain, D. A., Rosomoff, H. L., Cutler, R. B., & Rosomoff, R. S.: Secondary gain concept: A review of the scientific evidence, The Clinical Journal of Pain, 11 (1995), S. 6–21.
22 Eyerund Th., Orth A. K.: Einsamkeit in Deutschland, Aktuelle Entwicklung und soziodemographische Zusammenhänge, in: IW-Report No. 22, Köln (2019), S. 15. Bove et al. 2017, Beide et al. 2017; Senn 2011, Hrobjartsson et al. 2010